Ahmet Orans Bilder öffnen Fenster, sie legen frei und bringen das Verborgene an die Oberfläche. Mit einer malerischen Geste setzt Oran die Ölfarbe auf seinen Bildträger und konstruiert ein abstraktes Gemälde, das er dann: verdeckt! Eine weitere Farbschicht wird auf diesen an sich malerischen Untergrund gelegt und überdeckt ihn fast zur Gänze, wären da nicht die Spuren, die der Künstler in einem Akt spontaner Bewegung in den noch feuchten Schleier legt. Mit Hilfe von Pinseln und Rakeln setzt Ahmet Oran so die unteren Schichten frei und lässt einen Blick auf die anfangs entstandene Abstraktion zu. Das Hineinkratzen führt zum Endprodukt des Bildes. Hier wird das klassische Tafelbild ins Konträre gekehrt. Es ist nicht Farbe, die mit dem Pinsel aufgetragen, ein Bild entstehen lässt, sondern das Entfernen der Ölfarbe welches zur Vollendung führt. Dieser letzte Arbeitsschritt erinnert stark an grafische Elemente, ist es doch ein unbewusstes direktes Zeichnen auf einem noch feuchten Malgrund. 

 

Der 1957 in der Türkei geborene Künstler Ahmet Oran versteht es mit seinen Werken Malerei und Zeichnung zu verbinden. Seine Technik münzt auf einer klaren Beherrschung des Mediums, denn die Bilder verlangen den perfekten Zeitpunkt, um ihre Spuren zu offenbaren. Zu früh: verliert der über die abstrakte Grundierung gelegte Schleier wortwörtlich seine Kraft und fliesst in sich zusammen, zu spät: werden die gezogenen Striche keine freien Zeichenspuren mehr, das Material trocknet und unterbindet jegliche Spontanität.

 

Diese freie Geste des Hineinritzens, die stark an das Informell der Nachkriegszeit erinnert, wird gleichsam auf Grund der erkennbaren Rasterung verringert. Die Rasterstruktur bildet einen spannenden Kontrapunkt gegenüber dem Zufall, der Expression und auch der Unkontrollierbarkeit. Denn wer weiss, was diese Spuren an Farben schliesslich offenbaren. 

 

Ahmet Oran beherrscht die Malerei der Abstraktion in all ihren Facetten. Waren es früher die Farbschichten, die er wie Bettlacken von der Leinwand abgezogen hat und in scheinbaren Stoffwülsten stehen hat lassen, so sind es jetzt die offengelegten Spuren vorangegangener Schichten. Das Spiel der Schichten und der damit verbundenen Überlappung ist stets ein Teil seiner Kunst.

 

Die Werke in der bechter kastowsky galerie sind alle 2021 für die Ausstellung entstanden.