Jakob Gasteiger

Was ist Malerei? Fragen wir das Internet: «Malerei gehört zu den klassischen Gattungen der bildenden Kunst. In der Regel geht es um flächige Werke, die im Gegensatz zur Zeichnung durch das Aufbringen von feuchten Farben mittels Pinsel, Spachtel oder anderer Werkzeuge auf einem Malgrund geschieht.» 

 

Jakob Gasteiger trägt seine Farbe in der Vorbereitung dick auf den liegenden Bildträger auf, um dann mit Hilfe einer selber hergestellten Kammspachtel aus Karton diese Farbe von der Leinwand wegzunehmen, einzig wo der Kamm seine Einbuchtungen hat bleibt die Farbe bestehen. 

 

Diese Vorgehensweise, sowie das Resultat der Bilder beleuchtet einen konzeptuell-minimalistischen Aspekt der Malerei. Die Farbe wird nicht gestisch, expressiv und vermeintlich mit der erkennbaren Handschrift auf den Bildträger gebracht, nein, sie wird in einem anonym mechanischen Malakt weggenommen, die Geste findet einzig in der Bewegung des Kammes statt und lässt den Maler in seiner Expression dahinter nicht erkennen. Gasteiger dazu: «Die von mir verwendeten Kammspachteln sind ein anonymes Werkzeug, sie ermöglichen mir ohne «persönliche Handschrift» zu arbeiten.» 

 

Und doch sind die entstandenen Werke mehr als reine Malerei. Sie sind Grenzgänger zwischen Tafelbild, Skulptur und Relief. Wenn Gasteiger immer wieder herkömmliche Materialien der Skulptur (Eisen, Glas, Aluminium) in seine Farben mischt, so bringt er die Gattungen damit in eine eigene für ihn schlüssige Verbindung. Es ist ein experimenteller Umgang mit Form, Farbe, Raum und Material. Diese Erweiterung des Malereibegriffs kann durchaus als konzeptionelle Askese umschrieben werden.

 

In der neuen in der bechter kastowsky galerie in Schaan gezeigten Werkserie greift Gasteiger tief in den Farbtopf. Seine bis anhin eher gedeckt gehaltenen Werke brechen auf in einer kaum dagewesenen Strahlkraft. Mutig setzt er seine Rakelspuren mit neongelber Farbe auf blau grundierte Leinwände, lässt leuchtendes Orange auf Gelb erstrahlen und erzeugt so eine Strahlkraft im fertigen Bild. Durch die Führung seines Kammes entstehen Spuren auf dem Bildträger, die von geometrisch exakt bis hin zu geschwungenen Mustern – gleichsam frisch gezogenen Ratrakspuren – führen. Bewegt sich der Betracht vor diesen Bildern, gibt er ihnen die Gelegenheit von allen Seiten unterschiedlich in Erscheinung zu treten, so wird er erstaunt sein, wie sich neben der Farbigkeit auch die Oberfläche verändert: Von samtig weichen Farbspuren, die an Plüschbezüge erinnern, bis hin zu klaren kantigen Rinnsalen. 

 

Die Malerei Gasteigers ist vielfältig und holt den Betrachter in der Klarheit und Ruhe ab – eine Malerei wie sie in der Kunstgeschichte etwa bei der Gruppe «Radical Painting» zu beobachten war. Ein Vertreter dieser Malerei, Joseph Marioni etwa, schafft Arbeiten auf Leinwand, die «im Spannungsfeld von Farbe, Licht und Malkörper» dem Betrachter «je nach Lichteinfall und Betrachterposition» ihre Schichten und Bedeutungen frei legen.

 

Was ist nun Malerei: ein Begriff, der viele Fassetten des Tafelbildes beinhaltet, aber im vorliegenden Fall von Jakob Gasteigers neuer – farbiger – Werkserie den Betrachter unweigerlich in das Erleben mit einbezieht, um die in Serie entstandenen Werke begreifbar und fühlbar zu machen.