Die Bildwelt von Aurelia Gratzer ist eine rein malerische. Die Problemstellungen der Malereigeschichte werden in ihren Bildern reflektiert und finden ihre Lösung in einer sehr subjektiven Vorgehensweise.

War die Malerei über Jahrhunderte dazu da, ein Abbild der Realität – einen so genannten Blick aus dem Fenster – auf die Leinwand zu bannen, so stellt gerade Aurelia Gratzer ganz bewusst diese Abbildhaftigkeit in Frage.

 

Ausgang ihrer Werke sind kleinformatige Anzeigenobjekte aus Zeitschriften. Die Räume, die uns entgegentreten, sind Mittel zum Zweck. Die zentralperspektivische Wiedergabe der Räumlichkeiten wird in einzelne Flächen zerlegt. Fein säuberlich erarbeitet sie sich, gleichsam eines Drehbuches, die Vorgehensweise ihrer Malerei, in der die Vorlage dann wieder in eine eigene, spannende Dreidimensionalität umgewandelt wird. Der Zufall findet hier kaum einen Platz, auch wenn Aurelia Gratzer in jüngster Zeit das Abweichen dieses vorgegebenen Plans bewusst zulässt.
In einer langsamen, in Schichten aufgebauten Maltechnik, wird nun die Zentralperspektive überführt: Die linearen Merkmale der Perspektive werden nicht verändert, und doch wirken sie beim Betrachter unlogisch, abweichend von der vorgegebenen Realität. Die Wahrnehmung steht in der Kunst Aurelia Gratzers immer im Mittelpunkt.


Kann die eigene Wahrnehmung überhaupt hinterfragt werden? Sind nicht unser Seheindruck und dessen Auslegung nur die ureigene Realität von jedem selbst? Ist diese dann auch gleichzusetzen mit der Realität, Perzeption und Auslegung unseres Gegenübers?

 
Das sind die Fragen, mit denen sich Aurelia Gratzer in ihrer Malerei intensiv auseinandersetzt; im Spannungsverhältnis zwischen „authentischer“ Abbildhaftigkeit und Irritation. Die räumliche Empfindung, die plötzlich die Frage nach der Perspektive aufwirft, und die Auseinandersetzung mit dem binokularen Sehen, das nicht von der Zentralperspektive geprägt ist, spielen eine zentrale Rolle. Um diese Bereiche zu untersuchen, bedient sie sich dem ureigenen Medium der Malerei: Farbe, zweidimensionaler Malgrund und der Pinsel als Malwerkzeug. 

 

Jede Fläche wird gleichwertig behandelt, wird einzeln betrachtet, und ohne den Kausalzusammenhang des Großen malerisch auf der Leinwand ausgeführt. Die Irritationen, die sich bei dem Betrachter ergeben – oft erst durch längeres Hinsehen –sind somit im Malvorgang schon angelegt. Was ist rationale Realität? Diese Frage steht hinter diesem Vorgang, denn die Realität bezieht sich stets auf zwei unterschiedlichen Ebenen: Der Ebene des Wissens und der Ebene des empfundenen Wahrnehmens.


Aurelia Gratzer sieht ihre Malerei verstärkt im Bezug zur Abstraktion. Dadurch, dass die einzelnen Flächen in einer gleichen Wertigkeit auf der Leinwand erscheinen, kommt es zu einer malerischen Gleichbehandlung, die den Sehnerv von der Realität der Darstellung loslöst. Das Erkennen liegt einzig im Wissen um die Abbildhaftigkeit.