4 Uhr - Fritz Panzer und Constantin Luser:

Zum ersten Mal zeigen wir die beiden Künstler Constantin Luser und Fritz Panzer gemeinsam in einer von ihnen konzipierten Ausstellung mit dem Titel "4 Uhr".
Umriss und Identität 

von Thomas D. Trummer, Direktor Kunsthaus Bregenz

Der Draht windet sich um sich selbst, verwandelt sich in gekräuselte Linien und filigrane Schrauben. Gelegentlich verästelt er sich und franst aus, die nackten Enden bleiben sichtbar – ein Hinweis auf die Täuschung. Fritz Panzer (*1945) denkt die Dinge von ihren Konturen her. Seine Skulpturen verdanken sich Zeichnungen, die durch Drahtgebilde räumlich werden. Panzer formt die äusseren Umrisse nach, lässt die Substanz, das Innere, den Kern und sogar die äussere Hülle der Dinge ausser Acht. Für diese Ausstellung beschränkt er sich auf schwarzen Draht. Die Objekte wirken wie Zeichnungen, die sich wie Frottagen ihrer Aussenkanten zu erkennen geben. Manches an diesen Konstruktionen erinnert an gebastelte Platzhalter, anderes an lebensgrosse Attrappen, die den Versuch unternehmen, die Einfachheit der Dinge wiederzugeben. Zuweilen wirken sie wie Dummies, die über den Umgang mit der Leere sinnieren lassen, einem Dasein in der Gegenwart des Nichts. Dabei folgen Panzers Drahtgebilde keinen ontologischen Experimenten, sondern zeigen sich vielmehr als skulpturale Kommentare über den Gebrauch. Panzer wählt einfache Alltagsgegenstände, die auf ihre Verwendung warten. Er zeigt sie in bescheidener Präsenz, schweigend und geduldig. Hier finden sich ein Koffer, eine Uhr, ein leerer Bilderrahmen, zwei Arbeitsböcke und zwei miteinander verbundene Neonröhren. Die Welt der häuslichen Objekte erscheint als Spur und Nebensächlichkeit, in einer genauso kargen wie lakonischen Beobachtung. Alle diese Dinge sind vertraute Stellvertreter des Lebens, schlichte Zeugen im Stillleben des Ichs.

 

Constantin Luser (*1976) kommt ebenfalls über die Zeichnung zur Skulptur. Dabei zitiert Luser die Moderne. Manches an seinen feingliedrigen Gebilden erinnert an die Kunst des Bauhaus oder den Konstruktivismus von Antoine Pevsner, anderes an die Mobiles von Alexander Calder oder die Schattenrisse früher Fotografie. Während Panzer die Dinge vereinzelt und ihnen eine vertraute Identität zuschreibt, sind sie bei Luser eher Markierungen von Zuständen und aufgerissen in einem Stellungsspiel flüchtiger Gegenwart. Um zu zeigen, dass Zustände niemals statisch und arretierbar sind, befreit Luser seine Skulpturen von der Wand und erforscht mit hohem Aufwand den Einfallswinkel des Blicks. Lusers Drahtskulpturen beruhen auf einer Idee der offenen Konstellation. Anders als bei Panzer sind sie weniger Belegstücke eines nüchternen Inventars, sondern Raumstudien über die Eleganz und den Variantenreichtum der Illusion. Vielfach sind sie Schmuckstücken und getriebenem Zierart ähnlich. Luser, der auch surreale Instrumente baut, wählt für seine Objekte edle Metalle, solche, die glänzen und sich kunstvoll drehen lassen. Er präsentiert die räumlichen Umrisse nicht nur als Konturen, sondern in Engführungen und Parallelen, wodurch die Drahtwerke an zeichnerische Schraffuren erinnern. Häufig lässt er seine Werke wie knäuelartige Gebilde frei hängen. Erst durch die Umrundung – sei es durch die eigene Bewegung oder durch die Blickumkreisung der Betrachter*innen – offenbaren sie ihr Konstruktionsprinzip. Nur einen Moment lang wird etwa ein Portraitkopf zu einer Büste, zu einem deutbaren Gesicht.

 

leadersnet - art - 2023-10-09